ES11 * REPORT


Im Report 2 habe ich Euch etwas über Warschau erzählt. Aber was kennen wir eigentlich über unser östliches Nachbarland? Ist es uns nicht fremder als die Niederlande oder Frankreich oder Österreich? Was ich schon immer über Polen wissen wollte…oder: ….was ich über Polen wissen sollte (!)… Hier gibt es eine kleine „Gebrauchsanweisung“:

Starten wir mit den sechs wichtigsten Regeln für deutsch-polnische Kontakte: 1. Rede Deine polnischen Gesprächspartner nicht mit Nachnamen an. Das wird als steif und typisch deutsch empfunden. Polen reden sich mit Herr/Frau plus Vornamen an, also etwa "Lieber Herr Piotr" oder "Frau Ania". Wenn Du den Vornamen noch in eine der zahlreichen Koseformen übersetzt, wirkst Du unwiderstehlich herzlich. Also nicht Renata, sondern „Renia“, oder „Arek“ anstelle von Arkadiusz, oder „Katka“ anstelle von Katarzyna. Übrigens: Fast alle weiblichen polnischen Vornamen enden mit dem Buchstaben a: Zum Beispiel: Aleksandra, Natalia, Karolina, Patrycja, Kinga, Klaudia, Magdalena, Julia, Gabriela, Dominika usw. 2. Sei gastfreundlich. Falls Du Deine Zigarettenpackung oder Ticktack-Dose herausholst, pass dich den polnischen Gepflogenheiten an und biete allen Beteiligten reihum davon an! 3. Nimm Rücksicht auf allerlei polnischen Aberglauben. Besonders vor dem Spiel. Wundere dich nicht, wenn Polen bei einem freundlichen Wunsch Deinerseits, wie "Viel Erfolg!" ganz seltsam "Ich sage nicht danke" erwidern, weil das das Glück nicht vor den Kopf stoßen soll. 4. In Polen gewinnt Spontanität. Polen haben sehr viel Sinn für Humor und können sogar im ernsten Gespräch ohne Vorankündigung ganz plötzlich eine absurde Bemerkung einflechten. Sei also nicht überrascht, auch wenn Du nicht alles verstehst :-) 5. Vermeide das brutale Wörtchen NEIN! Sag besser "Mal sehen", "Ich rufe Sie morgen zurück" oder "nicht unbedingt" und nimm Rücksicht darauf, dass Polen selten deutlich etwas absagen, auch wenn sie es wirklich wollen. Sie sagen immer etwas zwischen "ja" und "nein" :-) 6. Verabschiede dich von Deinem polnischen Bekannten herzlich, d.h. küss die Damen dreimal auf die Wange, schüttele den Herren die Hand und sag dann alle Abschiedsworte, die Dir in den Sinn kommen. Polen verabschieden sich fünf Minuten lang mit einem unerschöpflichen Wortschatz für diese Gelegenheit: cześć, narka, siemka, trzymaj się, do zobaczenia, tymczasem, pa... Polnischer Smalltalk Die polnische Abneigung gegen jede Art von oberflächlichem Smalltalk. Die Amerikaner z.B. beantworten die Frage "How are you?" stets mit einem sonnigen Lächeln "I m fine, thanks". In Polen ist eine solche Pflicht-Begeisterung völlig fehl am Platz. Die Polen wollen - zumindest den Freunden und Bekannten gegenüber - authentisch sein. Und das erwarten sie auch von den anderen. Es bleibt also nur eines übrig. Bei der Frage "Wie geht's?" muss man mal eben seine ganze existenzielle Situation auspacken. Je lauter man klagt, desto ehrlicher kommt man beim Zuhörer rüber :-) Einladung zum Essen Einen Polen muss man nämlich dreimal bitten, ehe er etwas zu Essen annimmt. Bei der ersten Aufforderung kann er gar nicht anders als "nein" sagen. Es wäre für ihn eine grobe Unbescheidenheit, gleich "ja bitte" zu sagen und noch gierig den Teller hinzuhalten. Auch beim zweiten Mal muss er der Form halber ablehnen, denn wenn er einwilligen würde, hieße das ja, dass seine Weigerung von vorhin pure Koketterie war. Erst wenn der Gastgeber einen dritten Anlauf unternimmt und im harten Kasernenton befiehlt, ein Kuchenstück anzunehmen, bequemt sich der Gast mit gespieltem Widerwillen dazu. "Naaa guut, giiiib heeeer" und isst blitzschnell den ganzen Kühlschrank leer :-) Komplimente Wenn es um Komplimente geht, ist es in Polen so, dass selbst das dämlichste Kompliment besser ankommt als gar keins. Manchmal reicht eine kleine Bemerkung, um etwas erfolgreich zu erledigen. Polnische Männer wissen das und machen an jeder Ecke Komplimente, vor allem auf Ämtern, wo viele Frauen arbeiten und gleich lässt sich eine früher unmögliche Angelegenheit erledigen. Also, wer mit Komplimenten um sich streut, wird es leichter in Polens Damenwelt haben. Man muss aber zugleich auf die seltsamen Reaktionen der Polinnen vorbereitet sein. Da kommt dann nämlich wieder die obligatorische polnische Bescheidenheit zum Vorschein. Man wird niemals einer Frau begegnen, die ein Kompliment widerspruchslos hinnähme. Denn das hieße ja, dass es ihr tatsächlich zustand! Im Stillen freut sie sich zwar, doch nach außen hin wiegelt sie ab. Und vielleicht noch ausgewählte Tabus: - Frag niemals, wie viel jemand verdient! - Erzähle keine Witze über Karol Wojtyła (Johannes Paul II)! Über Joseph Ratzinger darfst Du das :-). - Sei nie der Erste, der eine Party verlässt! - Lehne weder das erste noch das zweite Glas Vodka ab! Erst bei der dritten Runde darfst du höflich "nein" sagen. Persönliche Anmerkung: die drei „wichtigsten“ Polnischen Dinge mit „Z“: 1. Zywiec – polnisches Bier 2. Zubrovka – Bisongras Vodka (wird oft mit Apfelsaft getrunken) 3. Zurek – polnische Suppe, wird auch schon mal in einem Brotlaib serviert - Wage nicht anzuzweifeln, dass die polnische Wurst die beste der Welt ist. - Lobe das polnische Brot. - Sag niemals einer polnischen Mutter am Telefon, dass du krank bist. Wir werden Ende Januar nur wenig Zeit haben, in Polen „sightseeing“ zu machen, wenn doch, dann beherzigt diese Gebrauchsanweisung. Ich schicke sie Euch mit einem AugenzwinkernÂ… Ich danke Renia Bernat, polnische Lehrerin (der deutschen Sprache) aus Tomaszow/Mazowiecki, die mir anhand eines Literaturhinweises für diese Info sehr geholfen hat. dziękuję Renia.

Quelle: S1 * PresserechercheAutor: Jochen SchittkowskiVeröffentlicht am: 28.11.2010

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