
ES11 * REPORT
Meistens heißt es: „wir fahren nach Selm, oder nach Henrichenburg, oder nach Bergisch Gladbach…, vielleicht mal nach Leverkusen oder nach Wesseling.“ Im Januar wird es heißen: „wir fahren nach Warschau…". Endlich, Europa hat uns wieder. Nach Antwerpen und Papendrecht in den 70igern des letzten Jahrhunderts kann der SKC endlich mal wieder an einem internationalen europäischen Turnier des IKF teilnehmen. Der EUROPA SHIELD wartet auf uns. Warschau ist aber eher eine Stadt, die viele von uns weniger kennen. Hier mal eine erste Annäherung….
Warschau ist eine Stadt der Gegensätze, voller Bilder, die nicht recht zueinander passen wollen. Da ist die kleine Altstadt mit ihren malerischen Gassen und den schönen Kaufmannshäusern, aber umgeben von Betongebirgen sozialistischer Plattenbauten. Von vergangenen Epochen zeugen Kirchen in katholisch-barocker Pracht, doch alles wird überragt von einem Kulturpalast, der einst den Sieg des Stalinismus symbolisieren sollte. Die Polen durften wählen: sollte das Geschenk des russischen „Genossen“ ein Gebäude im typisch russischen „Zuckerbäckerstil“ werden, oder doch eine U-Bahn. Die Polen wählten das Gebäude… Warschau ist eine junge Hauptstadt. Zuvor war Krakau die Hauptstadt Polens, erst 1596 stieg Warschau zur Hauptstadt auf. König Zygmunt (Sigismund) III. proklamierte die neue Hauptstadt. Er schaut vor dem Königspalast heute noch von seinem Denkmal herunter. Man muss auch wissen, dass sich Polens mächtige Nachbarn Preussen, Russland und Österreich-Ungarn zwischen 1772 und 1795 das ganze Land unter den Nagel rissen: in dieser Zeit verschwand Polen von der europäischen Landkarte. Danach blühte es auf. Mit der Besetzung der Nazis endete der polnische Frühling. Der Ghettoaufstand 1943 war grauenvoll, aber noch schlimmer war der Warschauer Aufstand ein Jahr danach: die Untergrundbewegung erhob sich gegen die deutschen Besatzer und hoffte auf die Hilfe der roten Armee, die auf der anderen Weichselseite lag. Diese Unterstützung blieb aber aus ( ! ), die Deutschen legten dann Warschau in Schutt und Asche….. Warschau hat unter dem letzten Krieg gelitten, wie keine zweite Stadt in Europa. Am Ende des zweiten Weltkrieges war Warschau zu 90% zerstört. Der Spaziergang durch die authentisch wirkende Altstadt irritiert: nichts ist authentisch, alles wurde aus dem Nichts wieder aufgebaut. Es heißt: „wenn man in Warschau eine Handvoll Erde nimmt und zusammendrückt, quillt Blut heraus.„ Die meisten Rekonstruktionen gelangen dabei nach den Gemälden des Malers Bernado Bellotto (1697-1768), berühmt geworden unter dem Namen „Canaletto“, der seine Heimatstadt detailgetreu malte und nach dessen Gemälden alle historischen Gebäude heute wiederaufgebaut wurden. „War-schau“, (polnisch: Warzawa) in den beiden Silben liegt Traurigkeit. Die Stadt musste dem „Warschauer Pakt“ ihren Namen leihen. Doch die eigentliche Bedeutung ist heiterer Natur. „Wars“ war ein Fischer, seine Freundin „Sawa“ seine polnische Variante von Romeo und Julia. Der Sage nach erschien ihnen eine Meerjungfrau und befahl ihnen, am Ufer der Weichsel eine Stadt zu gründen. Die Meerjungfrau ist heute Wappenfigur der Stadt und heißt: „Sirene“. Sirene schwamm mit ihrer Schwester durch die Ostsee, die eine landete in Kopenhagen (die kleine Meerjungfrau), die andere schwamm die Weichsel hoch nach Warschau. Ihr schöner Gesang reizte einen reichen Kaufmann, der bald auf die Idee kam, Geld mit der Meerjungfrau zu verdienen. Er entführte sie aus dem Wasser und stellte sie auf den Jahrmärkten zur Schau. Doch ein tapferer Fischersohn befreite die Meerjungfrau und übergab sie wieder ihrem geliebten Element Wasser. Die Syrena versprach, als Dank von nun an die Stadt zu beschützen. Daher trägt sie auf dem Warschauer Wappen, das sie schmückt, Schwert und Schild. Ihr Denkmal ist auf dem Marktplatz in der Altstadt (Stare Miasto) zu bewundern. Warschau hat einen besonderen, wie kaum eine andere Stadt in Europa, historischen Hintergrund,. Ich war zwei Jahre beruflich dort und habe eine besondere Beziehung zu dieser Stadt. Ich habe dort viele nette Menschen kennen gelernt. Die Stadt verdient Respekt. Mein Großvater war dort. Er erzählte oft von Warschau. 65 Jahre später erleben wir heute eine Stadt, die „Europa“ ist. Demnächst, neben der Ukraine, europäische Fussball-Hochburg. Im Januar ist sie Austragungsort des Korfball EuropaShield 2011. Und der Schweriner Korfball Club ist dabei! Das wird eine Freude! Dzien dobry, im September 2010 * noch 124 Tage Jochen Schittkowski
Quelle: S1 | Autor: Jochen Schittkowski | Veröffentlicht am: 23.09.2010 |